"Cyberduck wird auch in Zukunft kostenlos zum Download bereitstehen"

29. März 2011 14:30 Uhr - sw

Interview mit:

David Kocher, Entwickler des Dateitransfermanagers Cyberduck.

Cyberduck zählt zu den bekanntesten Open-Source-Programmen für den Mac. Cyberduck ist ein leistungsfähiger Dateitransfermanager, dessen Funktionsumfang weit über den eines FTP-Clients hinausgeht. MacGadget befragte den Cyberduck-Entwickler David Kocher zu Geschichte, Gegenwart und Zukunft von Cyberduck, zur kostenpflichtigen Mac-App-Store-Version und zu Mac OS X 10.7 "Lion".



MacGadget: Kürzlich haben Sie Cyberduck 4.0 vorgestellt. Was sind die wesentlichen Neuerungen der Version 4.0?

David Kocher: Der Schwerpunkt von Cyberduck 4.0 liegt bei der neuen Windows-Version, die über das letzte Jahr von Yves Langisch entwickelt wurde. Zudem wurde die Anbindung an die Hosting-Dienste Amazon S3 und Cloud Files im Zusammenspiel mit den CDN (Content Delivery Networks) CloudFront bzw. Akamai verbessert.

Auf dem Mac lassen sich Dateien jetzt direkt mit einem Rechtsklick im Finder auf einen Server hochladen. Ein weiteres Zückerchen ist die CyberduckVerbindungsmöglichkeit zu Dropbox, die den Zugriff auf Dateien erlaubt, ohne diese vorher mit dem Computer synchronisieren zu müssen. Ferner wurde die Kompatibilität mit FTP-Servern verbessert.

MacGadget: Weshalb haben Sie sich zur Entwicklung einer Windows-Version entschlossen? Wie groß war der Entwicklungsaufwand? Besitzt die Windows-Version den gleichen Funktionsumfang wie Cyberduck für Mac OS X?

David Kocher: Die Windows-Version wurde auf Initiative von Yves Langisch von ihm entwickelt. Der Einsatz von Mac OS X und Windows im gleichen Arbeitsumfeld kommt sehr häufig vor, daher macht es Sinn, auf beiden Plattformen die gleiche gewohnte Software zur Verfügung zu haben.

Die Entwicklung der Windows-Version startete im Frühling letzten Jahres und im Dezember wurde eine erste Betaversion veröffentlicht. Ich habe Yves Langisch vor allem dahingehend unterstützt, dass die Kernfunktionalität von Cyberduck unabhängig von der Benutzeroberfläche wiederverwendet werden konnte für eine neue Benutzerschnittstelle mit nativen Komponenten für Windows.

Der Funktionsumfang ist nahezu identisch. Plattformspezifisch sind aber unterschiedliche Implementierungen vorhanden, wie beispielsweise zum sicheren Speichern von Passwörtern, zur Überprüfung von Zertifikaten oder zum Lesen der Proxy-Konfiguration im System. Das Ziel war, einen stabilen Kern für beide Welten zu haben, aber darüber hinaus auf beiden Plattformen die beste Integration mit den jeweiligen Systemkomponenten zu bieten.

MacGadget: Seit kurzem bieten Sie Cyberduck auch im Mac-App-Store an. Dort kostet das Programm erstaunlicherweise 18,99 Euro, während es auf Ihrer Web-Site wie gewohnt kostenlos zu haben ist. Bitte nennen Sie uns die Gründe dafür.

David Kocher: Die Präsenz von Cyberduck im Mac-App-Store ist wichtig für die Sichtbarkeit des Projekts auch für neue Anwender der Mac-Plattform. Um die kontinuierliche und nachhaltige Entwicklung von Cyberduck zu ermöglichen, habe ich bereits im Jahr 2009 ein Modell mit Spendenschlüssel eingeführt, um einen direkt Anreiz zu schaffen, die Open-Source-Idee zu unterstützen. Wer das Projekt finanziell oder mit sonstiger Mithilfe, zum Beispiel mit einer Lokalisierung, unterstützt, erhält einen Schlüssel, der die Software auf den eigenen Namen registriert und die periodischen Erinnerungen für einen finanziellen Beitrag nach einem Update ausschaltet.

Das Problem beim Mac-App-Store: Kostenfreie Programme, die um freiwillige Beiträge bitten, sind dort nicht erlaubt. Wir haben uns darum entschieden, Cyberduck für einen fixen Betrag im App Store anzubieten - mit deaktiviertem Spendenaufruf, wie wenn ein Spendeschlüssel installiert ist.

Der Anwender hat die Wahl, die Software im Mac-App-Store zu kaufen oder weiterhin über die Web-Site zu installieren und uns bei Gefallen eine Zahlung zukommen zu lassen.

Cyberduck

Die Benutzeroberfläche von Cyberduck


MacGadget: Wird es Cyberduck auch weiterhin kostenlos geben oder ist die Veröffentlichung im Mac-App-Store der erste Schritt hin zur vollständigen Kommerzialisierung der Software?

David Kocher: Cyberduck wird auch in Zukunft freie Software (FLOSS) bleiben und via cyberduck.ch auch kostenlos zum Download bereitstehen. Cyberduck verwendet eine Vielzahl an Open-Source-basierten Softwarebibliotheken, darüber hinaus ist sowohl der Quellcode als auch der gesamte Entwicklungsprozess völlig offen.

MacGadget: Ist die kostenpflichtige Mac-App-Store-Version mit der regulären, über cyberduck.ch erhältlichen Gratis-Version von Cyberduck identisch?

David Kocher: Beide Versionen sind bis auf eine Ausnahme, die Aktualisierungsfunktion, identisch. Die Mac-App-Store-Version nutzt den von Apple bereitgestellten Updatemechanismus, während sich die über cyberduck.ch erhältliche Version selbst auf den neuesten Stand bringt. Zudem fehlt in der Mac-App-Store-Version natürlich die Spenden-Erinnerung.

MacGadget: Der Anfang Januar gestartete Mac-App-Store hat unter Entwicklern hitzige Debatten ausgelöst. Auf der einen Seite gibt es immer mehr Entwickler, die im Mac-App-Store eine Chance für Umsatzsteigerungen sehen und dort bereits Software veröffentlicht haben bzw. dies für die Zukunft planen. Andere Entwickler hingegen lehnen den Mac-App-Store grundsätzlich ab bzw. fordern von Apple dringend Nachbesserungen, beispielsweise im Hinblick auf kostenpflichtige Upgrades oder Zulassungsrichtlinien. Welche Meinung haben Sie über den Mac-App-Store?

David Kocher: Das größte Hindernis besteht meiner Meinung nach im zähen Review-Prozess, der viel Zeit beansprucht und einer agilen Softwareentwicklung, wie dies im Open-Source-Bereich meistens gehandhabt wird, zuwiderläuft.

Die Umsatzverteilung nach dem 70/30-Schlüssel zeigt das momentane selbstbewusste Auftreten von Apple im Markt. Die aus Entwicklersicht hohe Kommission (beim Vergleich mit den Kosten für eine traditionelle Softwareverteilung über das Internet) lässt sich aber durchsetzen, weil andere Konkurrenten wie Bodega ihren App-Store nicht standardmäßig auf dem System installiert haben können und im iTunes Store eine riesige Menge an Kreditkarten hinterlegt sind, die das One-Click-Shopping von Software ermöglichen. Für die Konkurrenz ist dies eine harte Nuss.


MacGadget: Zur Geschichte von Cyberduck: Wann haben Sie die Entwicklung des Programms gestartet, wann wurde die erste Version veröffentlicht?

David Kocher: Die Entwicklung startete im Herbst 2000. Damals auf einem Power Mac 7300 mit einer nachgerüsteten G3-Karte von Sonnet Technologies. Im April 2002 erschien die erste Version mit einer Benutzeroberfläche basierend auf Java-Bibliotheken. Ich habe mich dann aber entschieden, spezifisch für Mac OS X zu entwickeln, d. h. native GUI-Komponenten (Cocoa-Framework) zu verwenden. Die erste Version, die das Cocoa-Framework für die Benutzeroberfläche verwendete, wurde im Jahr 2003 veröffentlicht und unterstützte FTP und SFTP.

MacGadget: Welche Zukunftspläne haben Sie für Cyberduck? Stehen schon konkrete Features fest, die Sie demnächst oder im Laufe dieses Jahres implementieren wollen?

David Kocher: Es werden sicherlich neue Funktionalitäten der sich rasch verändernden Landschaft der Cloud-Storage-Dienste und der Konfiguration CDN (Content Delivery Network) unterstützt werden. Ansonsten ist die Entwicklung getrieben von Rückmeldungen von Benutzern über trac.cyberduck.ch.

MacGadget: Apple hat Ende Februar weitere Einzelheiten zum neuen Betriebssystem Mac OS X 10.7 "Lion" mitgeteilt. Wie beurteilen Sie die Neuerungen von Mac OS X 10.7 sowohl aus Entwickler- als auch als Anwendersicht?

David Kocher: Es ist erfreulich, dass weiterhin nicht nur neue sichtbare Funktionen hinzukommen, sondern auch an weiter den Grundlagen für ein stabiles System gearbeitet wird. Ein Beispiel dafür ist das vom iOS entlehnte "Application Sandboxing Model", das die Sicherheit des Systems erhöht ohne dass dies für den Benutzer direkt sichtbar ist.

Dem Schwerpunkt auf bildschirmfüllende Anwendungen im Stil von Tablet-Apps bin ich eher skeptisch gegenüber eingestellt. Dies erschwert aus meiner Sicht die Zusammenarbeit zwischen den Applikationen zum Beispiel über Drag & Drop.


MacGadget: Welche weiteren Features hätten Sie sich für Mac OS X 10.7 gewünscht?

David Kocher: Aus Benutzersicht warte ich immer noch darauf, dass die eierlegende Wollmilchsau iTunes beschnitten und wieder zum einfachen Musikplayer wird.

MacGadget: Ein leistungsstarker Dateitransfermanager wie Cyberduck ist für den Einsatz in Serverumgebungen, egal ob in Unternehmen oder Bildungseinrichtungen, geradezu prädestiniert. Apple selbst scheint am Servermarkt jedoch kein großes Interesse mehr zu haben, da im Januar das professionelle Serversystem Xserve eingestellt wurde. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

David Kocher: Ich sehe Mac OS X Server mit der Version 10.7 weiter gestärkt. Ansonsten arbeitet Cyberduck mit beliebiger Server-Software zusammen. Interoperabilität ist bei Cyberduck groß geschrieben und ich sehe hier keine Abhängigkeit zu Apple-Produkten. Um den Xserve ist es schade, denn der Xserve ist ein schönes Stück Hardware.

MacGadget: Wie lange wird Cyberduck noch auf PowerPC-Macs laufen? In welchem Zeitraum wird das Programm an Mac OS X 10.7 angepasst?

David Kocher: Cyberduck wird es vorerst auch weiterhin für PowerPC-Macs geben. Die Anpassungen an Mac OS X 10.7 "Lion" werden wenn möglich noch im ersten Halbjahr umgesetzt, um im Sommer bereit für das neue Betriebssystem zu sein.

MacGadget: Herr Kocher, vielen Dank für das Gespräch.

Links:
cyberduck.ch
Cyberduck im Mac-App-Store