Abschaffung der WLAN-Störerhaftung eine Mogelpackung?

02. Juni 2016 14:30 Uhr - sw

Im Mai hat die Regierungskoalition in Berlin die Abschaffung der sogenannten WLAN-Störerhaftung beschlossen. Betreiber von offenen WLANs sollen künftig nicht mehr für von Gastnutzern im Web begangene Rechtsverstöße haftbar gemacht werden können. Dies ist hierzulande bislang der größte Hemmschuh für die Eröffnung freier WLAN-Hotspots. Kritiker, darunter der Verein Digitale Gesellschaft, bemängeln jedoch, dass die Neuregelung eine Mogelpackung sei.

Hintergrund: statt im eigentlichen Gesetzestext wird laut den Plänen der Großen Koalition nur in der Gesetzesbegründung erklärt, dass die Betreiber öffentlicher WLANs von der Störerhaftung befreit sind. Die Gesetzesbegründung ist allerdings im Gegensatz zum Gesetzestext für Gerichte nicht bindend. Gerichte können sie zwar als Auslegungshilfe heranziehen, müssen der dargelegten Sichtweise jedoch nicht zwingend folgen. Nach Einschätzung des Vereins Digitale Gesellschaft besteht weiterhin das Risiko, dass die WLAN-Betreiber für Urheberrechtsverstöße, die Gastnutzer begangen haben, kostenpflichtig abgemahnt werden können.

Verein Digitale Gesellschaft

Der Verein Digitale Gesellschaft setzt sich für digitale Grundrechte ein.
Bild: digitalegesellschaft.de.



"Leider wird es auch in Zukunft keine Rechtssicherheit für offene Funknetze geben. Das Abmahnrisiko bleibt. Der Minimalkonsens, den die Große Koalition in letzter Sekunde erreicht hat, lässt die Knackpunkte bei der WLAN-Störerhaftung offen. Union und SPD schieben die Lösung der wesentlichen Probleme einmal mehr auf die Gerichte ab", erklärt Volker Tripp, politischer Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft. Ähnlich beurteilt der Verbraucherzentrale Bundesverband die Situation.

In der Koalition wird das Thema allerdings anders bewertet. "Sie vertraut darauf, dass sich die Begründung herumspricht unter Abmahnern, Providern und Richtern. Die Annahme: Selbst wenn jemand versuchen würde, einen Betreiber abzumahnen, würde dieser in einer gerichtlichen Auseinandersetzung spätestens in der zweiten Instanz Recht bekommen. Weil er auf den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers verweisen könnte und wohl kaum zwei Gerichte hintereinander diesen ignorieren würden", schreibt die Zeit.

Wäre es nach dem Wirtschaftsministerium gegangen, wäre die Neuregelung bei weitem nicht so liberal ausgefallen. Laut dem ursprünglichen Entwurf des Ministeriums sollten die WLAN-Betreiber zur Einrichtung einer Vorschaltseite und eines Passwortschutzes verpflichtet werden – dies wäre gleichbedeutend mit dem Aus frei zugänglicher WLAN-Netze gewesen. Doch nach heftigen Widerständen von Experten, Rechtsanwälten und der Netzcommunity wurden diese Punkte ersatzlos gestrichen.