Bericht: Intel erwartet Umstellung von Macs auf ARM-Prozessoren ab dem Jahr 2020

25. Febr. 2019 13:00 Uhr - Redaktion

Die Anzeichen für einen erneuten Wechsel der Prozessorarchitektur beim Mac verdichten sich weiter: Einem Bericht zufolge soll Intel die Umstellung auf ARM-basierte CPUs für das kommende Jahr erwarten. Zuvor hatten bereits der in der Apple-Welt bestens vernetzte Insider Ming-Chi Kuo und die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf informierte Kreise berichtet, dass Apple eine Abkehr von der x86-Plattform anstreben soll. Es wäre der bereits dritte Wechsel der CPU-Plattform in der Geschichte des Macs (68k => PowerPC => Intel => ARM).

"Obwohl das Unternehmen dies noch nicht öffentlich erklärt hat, haben Entwickler und Intel-Verantwortliche Axios privat mitgeteilt, dass sie dies bereits für das nächste Jahr erwarten", schreibt das Online-Magazin. Für Intel wäre dies ein herber Verlust, da Apple zu den größten und renommiertesten Kunden des Halbleitergiganten zählt. Der kalifornische Computerpionier lässt seine selbst entwickelten Ax-Chips von Auftragsfertigern wie TSMC produzieren.

MacGadget hat das Thema in der Vergangenheit mehrfach beleuchtet: Die Angelegenheit ist hochkomplex. Entgegen der in etlichen Blogs und Foren häufig vertretenen Meinung ist es nicht einfach damit getan, einen iPhone-Prozessor in ein MacBook zu verpflanzen, höher zu takten, besser zu kühlen und gut ist. Bei weitem nicht.

Bei Prozessoren für den Desktop- und Notebook-Bereich spielen wesentlich mehr Faktoren mit hinein als bei relativ simpel gestrickten Smartphone-/Tablet-Chips. Die Stichworte sind hier unter anderem PCIe-Lanes, umfassender Schnittstellen-Support, modernes, mehrstufiges Caching, hohe Skalierbarkeit bis in den Xeon-Bereich, Volllastbetrieb über längere Zeit, Hyper-Threading, native Virtualisierung, eGPU-Support, ECC-Arbeitsspeicher und und und. Für all diese Bereiche müsste Apple Lösungen mitsamt Chipsätzen entwickeln, damit eigene Desktop-/Notebook-Prozessoren das komplette Spektrum der Leistungsfähigkeit heutiger und kommender (!) Intel-CPUs nicht nur erreichen, sondern natürlich übertreffen. Dies ist ein gigantischer Entwicklungsaufwand.

Intel-Prozessor

Intel-Prozessoren in Macs - wie lange noch?
Foto: Intel.

 

Zuzutrauen ist dies Apple natürlich – die Chip-Abteilung der Kalifornier gilt als sehr innovativ und weltweit führend, bezogen auf den ultramobilen Bereich. Intel hat sich in den letzten Jahren nicht sehr mit Ruhm bekleckert, die Preise für Intel-Chips sind gesalzen. Noch immer hat es Intel nicht geschafft, die Serienproduktion im 10nm-Verfahren (ermöglicht energieeffzientere CPUs im Vergleich zum aktuell von Intel verwendeten 14nm-Verfahren) zu starten, während Apple bereits 7nm-CPUs entworfen hat und produzieren lässt - 5nm ist in Reichweite.

Dennoch: Ein Architekturwechsel ist eine hochkomplexe Geschichte, die vielerlei Auswirkungen – positive wie negative – mit sich bringt, woran sich langjährige Mac-User nur zu gut erinnern werden. Andererseits dürfte es vielen Nutzern schlichtweg egal sein, welcher Chip die Rechenleistung erbringt, solange alles nur einwandfrei läuft. Ein Vorteil wäre, dass Apple künftige Macs durch einzigartige, selbst entwickelte Features wieder stärker von der Konkurrenz abheben könnte und Apple nicht mehr auf Intel angewiesen wäre - die Fortschritte bei der x86-Architektur waren in den letzten Jahren ziemlich überschaubar. Beispielsweise könnte Apple bei Mobilmacs deutlich längere Akkulaufzeiten erzielen - die Ax-CPUs weisen hier den Weg. Bei den integrierten Grafiklösungen hat Apple ebenfalls die Nase vorn.

Allerdings würde ein Architekturwechsel beim Thema Virtualisierung Nachteile mit sich bringen. Die Möglichkeit, andere x86-Betriebssysteme parallel zu macOS laufen zu lassen, ist gerade im geschäftlichen Umfeld ein wichtiges Verkaufsargument für Macs ("zwei Fliegen mit einer Klappe"). Zwar gibt es Windows 10 inzwischen auch für ARM-basierte CPUs, allerdings fehlt hier erstens bislang die 64-Bit-Unterstützung, zweitens wurden erst ganz wenige Windows-Programme an ARM-Chips angepasst.

Als Apple im Jahr 2005 die Umstellung von der PowerPC- auf die Intel-Architektur ankündigte, standen die Vorzeichen ganz anders. Die PowerPC-Entwickler Motorola und IBM hatten es damals nicht geschafft bzw. hatten kein Interesse daran, einen G5 für Notebooks herzustellen oder generell eine solide Roadmap für die Zukunft vorzulegen. Apple musste handeln, um die Zukunftsfähigkeit des Macs zu sichern. Die Performance-Zuwächse vor allem in den ersten Jahren waren enorm, die native Ausführung von Windows ein willkommener "Begleiteffekt", vor allem im Business-Umfeld. Der Mac boomte.

Heute, im Jahr 2019, stellt sich die Lage wie folgt dar: Die installierte Basis an Macs war nie größer und hat vor kurzem die 100-Millionen-Marke geknackt. Weltweit sind über 1,4 Milliarden Apple-Geräte im Einsatz. Apple ist, anders als im Jahr 2005, ein Gigant, hat eine enorme Marktmacht und ist dadurch in der Lage, die Richtung vorzugeben. Apple stellt sich aktuell unter anderem die Frage, wie man mehr Software auf macOS bekommt. Dabei blickt das Unternehmen aber nicht (mehr) auf die Windows-Welt, sondern schaut sich das iOS-Universum an, wo faktisch die meisten Software-Innovationen stattfinden.

Aktuell bestehen bei der Portierung von Apps von iOS auf macOS vor allem zwei Hürden: Während die Kern-Komponenten (Unterbau) bei macOS und iOS praktisch identisch sind, muss bei einer Portierung die Benutzeroberfläche für macOS mühsam neu geschrieben werden. Apple will dies künftig erleichtern und es Entwicklern ermöglichen, mit nur wenigen Klicks eine macOS-Oberfläche für bestehende iOS-Apps zu erzeugen (Projekt "Marzipan"). Zweitens bringen die unterschiedlichen Chip-Architekturen x86 und ARM ihre Eigenheiten und Unterschiede mit, die die Software-Portierung erschweren.

Paart man dies mit dem Potential von Apples Ax-Prozessoren - wer weiß schon, woran Apple seit Jahren forscht und entwickelt und was in den Laboren so alles herangezüchtet wurde - ergibt sich ein durchaus stimmiges Bild, zu dem auch die Abkehr von OpenGL/OpenCL zugunsten von Metal passt. Natürlich werden bei einer Wechsel der CPU-Architektur Programme auf der Strecke bleiben, die von den den Entwicklern nicht angepasst werden. Aber 2019 ist eben nicht 2005: Angesichts einer installierten Basis von über 100 Millionen Macs werden sich viele Hersteller geradezu die Finger danach lecken, auch künftig auf der Mac-Plattform vertreten zu sein.

Unter dem Strich ist es höchstwahrscheinlich nicht mehr die Frage ob, sondern wann Apple diesen Schritt geht. Der Übergang könnte diesmal wesentlich entspannter erfolgen als 2005/2006, als die PPC-Entwicklung fast stillstand und Apple in Windeseile alle Baureihen umstellen musste, da schnellere PPCs Mangelware waren. Hier spielt sicherlich auch der T2-Chip in neueren Macs mit hinein, der de facto ein ARM-Coprozessor ist und auf dem künftig zum Beispiel portierte iOS-Apps ausgeführt werden könnten.

MacGadget will eine erneute CPU-Umstellung beim Mac nicht auf Biegen und Brechen schönreden - es gibt unbestreitbar Risiken und Nachteile -, allerdings ergibt sich, je länger man über das Thema nachdenkt, durchaus ein stimmiges Bild mit gewichtigen potentiellen Vorteilen, die die Plattform mittel- und langfristig nach vorne bringen und einzigartig(er) machen könnten. Warten wir ab, was kommt - wir sind nur die Zaungäste, die nächste WWDC findet in wenigen Monaten statt und sorgt vielleicht/hoffentlich für Klarheit.

Nachtrag (14:00 Uhr): Nach Informationen von DigiTimes will Apple bereits im nächsten Jahr auf das 5nm-Produktionsverfahren umstellen. Davon kann Intel nur träumen - das 7nm-Verfahren wird bei Intel erst für Mitte des nächsten Jahrzehnts erwartet. DigiTimes beruft sich in dem Artikel auf mehrere Quellen aus der asiatischen Zuliefererindustrie.