Einschätzung zu Apples Desktop-Ankündigungen: Spät die Kurve gekriegt

07. Apr. 2017 14:30 Uhr - Redaktion

Wie aus dem Nichts sind am Dienstag Apples Ankündigungen zur Zukunft der Desktop-Macs aufgetaucht. Dabei überraschte der sonst so geheimniskrämerische Hersteller nicht nur mit konkreten Angaben zu den in der Entwicklung befindlichen Produkten, sondern räumte auch offen Fehler ein und gab tiefe Einblicke in die Mac-Abteilung. Doch wie sind die Aussagen von Apple einzuschätzen?

Zunächst ein Überblick über die wichtigsten Ankündigungen von Apple: Mac Pro: Apple hat eingestanden, mit der aktuellen Mac-Pro-Generation die meisten Anwender nicht zufriedengestellt zu haben. Das Unternehmen entschuldigte sich bei denjenigen Usern, die ein erweiterbares System und regelmäßige Produktupgrades erwartet haben. Als Konsequenz kündigte Apple an, an einem komplett neuen Mac Pro zu arbeiten, der modular aufgebaut ist, sich gut erweitern lässt und den der Hersteller in Zukunft regelmäßig aktualisieren will. Allerdings wird der neue Mac Pro in diesem Jahr nicht mehr fertig. Bildschirme: Erst im vergangenen Jahr zog sich Apple aus dem Monitorgeschäft zurück – das Thunderbolt-Display wurde eingestellt, einen Nachfolger gab es nicht. Nun erfolgt die Kehrtwende. Neben einem neuen Mac Pro entwickelt das Unternehmen wieder in Eigenregie einen Bildschirm für professionell arbeitende Anwender.

Mac Pro

Mac Pro: Apple arbeitet an modularem, erweiterbaren Nachfolgemodell.
Foto: Apple.

iMac: Im weiteren Jahresverlauf will Apple eine neue iMac-Generation vorstellen. Die Besonderheit dabei: darunter sollen spezielle Konfigurationen für den Einsatz in professionell-produktiven Umgebungen sein. Mac mini: Konkrete Ankündigungen zu einer neuen Mac-mini-Generation nahm Apple nicht vor, betonte allerdings, dass der kompakte Desktop ein wichtiges Produkt im eigenen Angebot sei. Daraus kann man schließen, dass neue Modelle in Arbeit sind. Prozessoren: Apple machte klar, dass keinerlei Pläne für einen Wechsel der Prozessorarchitektur bestehen. Macs sollen auch in Zukunft von Intel-Prozessoren angetrieben werden. Analyse: Apple schafft endlich Klarheit Die Missstände im Mac-Bereich haben sich in den letzten Monaten zugespitzt. Nicht nur ausbleibende Aktualisierungen der Desktop-Baureihen Mac Pro, iMac und Mac mini sorgten für erheblichen Unmut unter den Anwendern, sondern auch der radikale Schnittstellenumbruch und die Preispolitik beim neuen MacBook Pro, die von etlichen Usern mit Skepsis aufgenommene Touch-Bar-Funktionsleiste und nicht zuletzt das Desaster um das "UltraFine 5K Display". Apple blieb all dies nicht verborgen. Das Grummeln in sozialen Netzwerken und Foren hat an Schärfe zugenommen und immer häufiger kam – auch in den Medien - die Frage auf, wie stark Apple überhaupt noch hinter dem Mac steht. Aus der Gerüchteküche verlautet in diesen Tagen, dass es letztlich die wachsende Kritik aus der Mac-Community gewesen sei, die Apple dazu gebracht habe, die eigene Strategie zu überdenken.

 

Neue iMac-Modellreihe

iMacs: Neue Konfiguration für die kommenden Monate erwartet.
Foto: Apple.

Apple-Marketingchef Phil Schiller bestätigte dies indirekt. Er sagte, aus der Gruppe der Pro-User habe man viel Feedback bekommen, das man sich zu Herzen genommen habe. Man habe mit vielen Mac-Anwendern aus dem professionellen Umfeld gesprochen, sich mit ihnen getroffen, um zu verstehen, wie sie Macs einsetzen und wie ihre Workflows aussehen. Es ist ein Eingeständnis, dass die Mac-Produktpolitik in den letzten Jahren alles andere als optimal verlaufen ist. Apples Weg an die Öffentlichkeit war der dringend notwendige Befreiungsschlag, um spät, aber gerade noch, die Kurve im (professionellen) Mac-Bereich zu kriegen. Das Unternehmen ist sich offenkundig bewusst geworden, dass ein "Weiter so!" die schlechteste aller Möglichkeiten ist. Nur so ist es zu erklären, dass Apple in ungewohnter Offenheit Produkte vorangekündigt, Fehler eingeräumt und revidiert sowie klare Aussagen zum Mac getroffen hat. Gleich mehrfach betonten Apples Manager, dass der Mac ein bedeutender Teil von Apples Zukunft sei, man stark in den Mac investiere und einige der talentiertesten Ingenieure an der Weiterentwicklung des Systems arbeiten würden. Unter dem Strich schafft Apple dadurch Perspektive und Zukunftssicherheit unter Anwendern, Entwicklern, Händlern und Zubehörherstellern, unter denen die Unsicherheit zuletzt deutlich zu spüren war. Besonders erfreulich: mit der Ankündigung, wieder einen modular aufgebauten, erweiterbaren Mac Pro zu entwickeln, geht Apple auf eine zentrale Forderung vieler User ein. Technische Daten zu dem neuen System liegen freilich noch nicht vor, doch Apples umfassende Aussagen rund um die wachsende Bedeutung von GPUs legen stark die Vermutung nahe, dass es künftig wieder PCIe-Steckplätze geben wird, um bei Bedarf stärkere Grafikkarten nachzurüsten - für viele Anwendungsbereiche ist dies der entscheidende Punkt. Natürlich geht es dabei auch ums Geld, keine Frage. Laut Apple gibt es mittlerweile weltweit fast 100 Millionen Mac-Nutzer, das Mac-Hardwaregeschäft hat ein Volumen von 25 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Die Gefahr einer Abwanderung von Pro-Mac-Usern ist aufgrund der geschilderten Fehlerentwicklungen immer realer geworden – was schlussendlich auch negative Auswirkungen auf die anderen Geschäftsbereiche Apples gehabt hätte.

 

 

Apple-Firmenzentrale

Die Apple-Konzernzentrale in Cupertino.
Bild: Joe Ravi (Lizenz: CC-BY-SA 3.0).

Die Kalifornier handeln also auch zu einem erheblichen Teil im eigenen Interesse. Auf der anderen Seite hat sich Apple durch die gezeigte Offenheit und die detaillierten Erläuterungen von Marketingchef Schiller, Hardware-Entwicklungschef Ternus und Software-Entwicklungschef Federighi wieder Sympathien und Vertrauen erworben – nun liegt es ganz allein an Apple, dass diese nicht verspielt werden. Das Unternehmen muss in den nächsten Monaten und Jahren liefern – und sperrt hoffentlich künftig die Ohren ein wenig früher und weiter auf, wenn sich Kritik aus der Community häuft. Hintergrund: Apple hat für die Ankündigungen am Dienstag einen ungewöhnlichen Weg gewählt. Eine Handvoll US-Medienvertreter traf sich mit Schiller, Ternus und Federighi in der Unternehmenszentrale in Cupertino zu einer Gesprächsrunde. Apple selbst gab keine Pressemitteilung heraus, dafür veröffentlichten beispielsweise der renommierte Blogger John Gruber und das Magazin TechCrunch Mitschriften bzw. ausführliche Zitate der Sitzung.