Ein Jahr Thunderbolt: Eine Zwischenbilanz

24. Febr. 2012 02:00 Uhr - sw

Im Februar 2011 stellten Apple und Intel die gemeinsam entwickelte Schnittstelle Thunderbolt vor. Dank der hohen Datenübertragungsrate, der Dual-Protokoll-Unterstützung, der geringen Latenz und der Möglichkeit der Geräte-Reihenschaltung soll sich Thunderbolt nach den Plänen der beiden Unternehmen als High-End-Schnittstellenstandard etablieren. Nun, ein Jahr später, ist es Zeit für eine Zwischenbilanz.

Aus Light Peak wird Thunderbolt

Thunderbolt wurde zunächst unter dem Codenamen Light Peak in Intels Entwicklungslaboren konzipiert. Bei der technischen Umsetzung arbeitete Intel eng mit Apple zusammen. Erstmals wurde die neue Schnittstellentechnologie im September 2009 auf einer Intel-Entwicklerkonferenz vorgestellt. Am 24. Februar 2011 folgte mit der Ankündigung einer neuen MacBook-Pro-Generation schließlich die Markteinführung unter dem Namen Thunderbolt.


Thunderbolt

Thunderbolt erreicht eine Datenübertragungsrate von bis zu zehn Gbit pro Sekunde und Kanal
Bild: Apple.com


Ursprünglich sollten optische Kabel in Thunderbolt zum Einsatz kommen, aus zwei Gründen entschieden sich Apple und Intel aber für Kupferkabel. Erstens sind Kupferkabel günstiger als optische Kabel. Zweitens ermöglichen Kupferkabel im Gegensatz zu optischen Kabeln eine Stromversorgung der daran angeschlossenen Geräte. Thunderbolt stellt bis zu zehn Watt Leistung zur Verfügung.

Die lang ersehnte Hochgeschwindigkeitsschnittstelle

Apple hat die FireWire-Schnittstelle erfunden und ihr ab Ende der 90er Jahre zum Durchbruch verholfen (der Anfang 1999 vorgestellte blau-weiße Power Macintosh G3 war der erste von Apple ausgelieferte Computer mit FireWire). Mehr als zehn Jahre gab es eine klare Schnittstellen-Rollenverteilung beim Mac: USB 1.1 bzw. USB 2.0 für Low-End-Peripherie wie Drucker, Tastatur, Maus oder Festplatten und FireWire 400 bzw. FireWire 800 für High-End-Geräte aus dem Audio- und Videobereich und für Speichersysteme.

Über viele Jahre war FireWire im Mac-Markt eine weithin akzeptierte und vielgenutzte Schnittstelle für High-End-Geräte. Doch gegen Ende des letzten Jahrzehnts stieß FireWire 800 an seine Grenzen – die von FireWire 800 bereitgestellt Bandbreite reichte für moderne Speichersysteme und anderes Profi-Equipment immer häufiger nicht mehr aus.


Thunderbolt

Thunderbolt basiert auf den Protokollen DisplayPort und PCI-Express
Bild: Intel.com


Abhilfe schien in Sicht: Im Jahr 2008 wurden schnellere FireWire-Standards verabschiedet. FireWire 1600 und FireWire 3200 liefern höhere Datenübertragungsraten (bis zu 1,6 bzw. 3,2 Gbit pro Sekunde) und viele Experten gingen damals davon aus, dass Apple die schnelleren FireWire-Versionen schrittweise in den verschiedenen Mac-Baureihen einführen wird.

Doch weit gefehlt. Apple verzichtete auf FireWire 1600/3200. Je mehr Zeit verstrich, desto mehr Zweifel kamen auf, ob FireWire noch eine Zukunft hat. Indes warteten professionelle Anwender händeringend auf die Implementierung einer zeitgemäßen, schnellen Schnittstelle für High-End-Peripherie. eSATA bot sich an, doch Apple zeigte dieser Schnittstelle die kalte Schulter. Wer schnelle Speichersysteme anbinden wollte, musste auf eSATA-Karten von Drittherstellern für MacBook Pro und Mac Pro zurückgreifen.

Im Februar 2011 wurde schließlich mit Thunderbolt die lang ersehnte Hochgeschwindigkeitsschnittstelle angekündigt, die eine Datenübertragungsrate von bis zu zehn Gbit pro Sekunde und pro Kanal (bei zwei verfügbaren Kanälen) bietet. Das Warten hatte ein Ende.

Der Stand der Dinge

Apple hat in den letzten zwölf Monaten seine Hausaufgaben gemacht. Alle Mac-Baureihen mit Ausnahme des Mac Pro sind inzwischen mit der Thunderbolt-Schnittstelle ausgerüstet. Ein neues Mac-Pro-Modell mit Thunderbolt wird für die nähere Zukunft erwartet, allerdings hängt dessen Markteinführung maßgeblich mit der Verfügbarkeit der nächsten Xeon-Prozessorgeneration von Intel zusammen (deren Auslieferung in größeren Stückzahlen soll Gerüchten zufolge demnächst anlaufen).

Echo ExpressCard/34 Thunderbolt Adapter

Adapter: ExpressCard/34-Karten an Thunderbolt-Macs nutzen
Foto: Sonnet Technologies


Auch an der softwareseitigen Thunderbolt-Unterstützung hat Apple kontinuierlich gearbeitet. Das Betriebssystem Mac OS X bietet inzwischen eine robuste und schnelle Unterstützung der Thunderbolt-Schnittstelle. Zudem hat Apple einen Bildschirm mit Thunderbolt-Anschluss und ein Thunderbolt-Kabel im Angebot.

Die Grundlagen sind also vorhanden – dennoch fällt die Thunderbolt-Zwischenbilanz durchwachsen aus. Denn nur wenige Peripheriegeräte mit Thunderbolt-Schnittstelle haben es bislang zur Marktreife gebracht, trotz einer recht stattlichen Anzahl an Ankündigungen. So haben viele Unternehmen innerhalb des letzten Jahres erklärt, Thunderbolt-Produkten in den Handel bringen zu wollen, passiert ist allerdings nur wenig.

Thunderbolt SSD

In Kürze verfügbar: Thunderbolt SSD mit 120 und 240 GB Kapazität
Foto: Elgato


Etliche Hersteller begründen dies mit den enormen technischen Herausforderungen, die die Entwicklung von Produkten für eine noch sehr junge und komplexe Schnittstellentechnologie wie Thunderbolt mit sich brächten. Diese führe dazu, dass sich die Entwicklung von Thunderbolt-Produkten länger hinziehe als erwartet, heißt es mancherorts. Andere Unternehmen hingegen halten sich (auch) wegen den noch hohen Kosten für Thunderbolt-Chips und –Kabel zurück.

Ausblick

Trotz der Anlaufschwierigkeiten sind die Zukunftsaussichten für Thunderbolt rosig. Die Schnittstelle wird durchstarten, wenn auch nur langsam. Dafür sprechen vor allem zwei Gründe.

Erstens die technologische Seite. Thunderbolt hat enormes Potential und ist mit zehn Gbit pro Sekunde und Kanal schon in der ersten Version deutlich schneller als eSATA, FireWire oder USB. Durch die geringe Latenz und die Möglichkeit der Reihenschaltung von Geräten eignet sich Thunderbolt ideal für den professionellen Einsatz. Zudem zeichnet sich Thunderbolt durch eine hohe Flexibilität aus. Die Dual-Protokoll-Unterstützung (PCI-Express und DisplayPort) ermöglicht den Anschluss von Monitoren und die Nutzung von Adaptern aller Art. Laut Intel hat Thunderbolt ein Steigerungspotential auf bis zu 100 Gbit/Sekunde in den nächsten zehn Jahren.

2big Thunderbolt Series

RAID-System mit Thunderbolt-Schnittstelle: 2big Thunderbolt Series
Foto: LaCie


Zweitens die Verbreitung der Schnittstelle. Apple hat Thunderbolt zum Standard bei den Macs erkoren und die Zahl der Thunderbolt-fähigen Macs steigt kontinuierlich. Zudem sollen in diesem Jahr vermehrt Windows-Systeme mit Thunderbolt ausgeliefert werden. Je mehr Thunderbolt-fähige Computer verkauft wurden, desto höher ist der Anreiz für die Hersteller, kompatibles Zubehör zu entwickeln. Gleichzeitig senken höhere Stückzahlen die Kosten für Thunderbolt-Chips und –Kabel.

Fazit

Die Etablierung einer neuen Schnittstelle benötigt Zeit. So war es damals bei FireWire, bei Thunderbolt ist es nicht anders. Im ersten Jahr hat Apple die Grundlagen für die Thunderbolt-Unterstützung geschaffen, während sich die Zubehörhersteller langsam mit Thunderbolt vertraut machen konnten. Im zweiten Jahr wird eine Vielzahl an Thunderbolt-Peripherie auf den Markt kommen, zugleich hält die Schnittstelle Einzug in die Windows-Welt. Die Zeit, sich ernsthaft mit Thunderbolt zu beschäftigen, ist jetzt gekommen. Signifikante Preissenkungen für Thunderbolt-Peripherie sind in den nächsten zwölf Monaten allerdings nicht zu erwarten.

Verfügbare und angekündigte Thunderbolt-Produkte

Zu den bereits verfügbaren Thunderbolt-Geräten gehören unter anderem

• das 27-Zoll-Thunderbolt-Display von Apple;

• der Echo ExpressCard/34 Thunderbolt Adapter von Sonnet Technologies, der die Nutzung von ExpressCard/34-Speicherkarten an Thunderbolt-Macs ermöglicht;

• die beiden Speichersysteme 2big Thunderbolt Series und Little Big Disk Thunderbolt von LaCie;

• ein Thunderbolt-Adapter von Matrox zum Anschluss von MXO2-Video-Interfaces;

• die RAID-Lösungen Pegasus R4 und Pegasus R6 von Promise Technology;

• der GoFlex Thunderbolt Adapter von Seagate zum Betrieb von 2,5-Zoll-Festplatten der GoFlex-Serie an Thunderbolt-Macs;

• ein Thunderbolt-auf-Fibre-Channel-Adapter von Promise;

• die Video-Interfaces Intensity Shuttle, UltraStudio 3D und Intensity Extreme von Blackmagic.

In den nächsten Wochen und Monaten kommen zahlreiche interessante Thunderbolt-Produkte in den Handel, wie zum Beispiel

• die Thunderbolt SSD von Elgato (Nachtrag: Inzwischen verfügbar, mehr dazu hier);

• ein Thunderbolt-Dock von Belkin;

• ein eSATA-Hub von LaCie (Nachtrag: Inzwischen verfügbar, mehr dazu hier);

Echo Express PCIe 2.0, ein Gehäuse für PCI-Express-Karten von Sonnet Technologies;

ExpressBox 3T, ein Gehäuse für PCI-Express-Karten von Magma;

ExpressBox 3T

ExpressBox 3T: Thunderbolt-Macs mit PCI-Express-Steckplätzen erweitern
Foto: Magma


RackMac mini Xserver, ein Thunderbolt-Rackgehäuse für den Mac mini mit PCI-Express-Steckplatz;

• das RAID-System My Book Thunderbolt Duo von Western Digital (Nachtrag: Inzwischen verfügbar, mehr dazu hier);

• eine Thunderbolt-Ausführung des Video-Interfaces HDX-SDI von Motu.

Außerdem wollen einige Hersteller eigene Thunderbolt-Anschlusskabel auf den Markt bringen. Bislang ist ein solches Kabel nur von Apple erhältlich.

Noch nicht angekündigt wurden Thunderbolt-Leergehäuse für Festplatten und SSDs sowie Adapter, beispielsweise Thunderbolt-auf-Ethernet oder Thunderbolt-auf-FireWire. Aufgrund der zu erwartenden Nachfrage ist jedoch davon auszugehen, dass sich diese Produkte bereits in der Entwicklung befinden.

FireWire wohl vor dem Aus

Die Schnittstellenverteilung bei künftigen Macs dürfte klar sein: USB 3.0 für den Low-End-Bereich, Thunderbolt für High-End-Peripherie. USB 3.0 wird höchstwahrscheinlich mit der neuen "Ivy Bridge"-Prozessorarchitektur, deren Markteinführung für die kommenden Monaten erwartet wird, in Macs Einzug halten. Für FireWire sieht es hingegen düster aus. Apple hat sich bewusst gegen schnellere FireWire-Standards und für Thunderbolt entschieden. Daher wird es wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis FireWire gestrichen wird. Sofern ein Thunderbolt-auf-FireWire-Adapter auf den Markt kommt, dürfte der Wegfall von FireWire zu verschmerzen sein.