Fraunhofer-Institut stellt Video-Codec H.266 vor: Deutlich effizienter als H.265, Apple mit an Bord

07. Juli 2020 15:00 Uhr - Redaktion

Das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut hat die Fertigstellung und Verabschiedung des neuen Video-Codecs H.266, auch Versatile Video Coding (kurz VVC) genannt, bekanntgegeben. Demnach schafft der neue Standard durch eine deutlich verbesserte Kompression eine signifikante Datenreduktion bei gleicher visueller Qualität in Höhe von 50 Prozent der Bit-Rate gegenüber dem Vorgängerstandard H.265 (HEVC).

An der Entwicklung und Standardisierung von H.266/VVC waren neben dem Fraunhofer HHI zahlreiche namhafte Partner aus der Industrie beteiligt, darunter Apple, Ericsson, Intel, Huawei, Microsoft, Qualcomm und Sony. Es ist davon auszugehen, dass Apple den neuen Video-Codec im Laufe des nächsten Jahres in den Betriebssystemen macOS, iOS/iPadOS und tvOS unterstützen wird, ebenso bei dem Videostreaming-Dienst Apple TV+.

Für die Vergabe von Lizenzen standardessentieller Patente von H.266/VVC ist ein einheitliches und transparentes Lizenzierungsmodell auf Basis des FRAND-Prinzips geplant (FRAND: fair, reasonable and non-discriminatory). Zu diesem Zweck wurde das sogenannte Media Coding Industry Forum (MC-IF) gegründet. Neben der Fraunhofer-Gesellschaft gehören dem MC-IF mittlerweile über 30 Firmen und Organisation an. Die für die Anwendung von H.266/VVC notwendigen neuen Chips sind momentan in der Entwicklung.

 
H.266/VVC
 
Neuer Video-Codec H.266/VVC: Deutlich effizienter als H.265/HEVC.
Bild: Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut.

 

H.266/VVC ist mit dem Fokus auf ultrahochauflösende Videoinhalte entwickelt worden. Der neue Standard soll beispielsweise beim Streaming von 4K- oder 8K-Videos auf dem Flachbildfernseher zum Einsatz kommen. Durch die neuartige Datenreduktion wird auch eine effizientere Videoübertragung im Mobilfunknetz möglich, wo die Datenkapazität generell stärker begrenzt ist.

So müssen für ein 90-minütiges UHD-Video bei der Verwendung des Vorgänger-Standards H.265/HEVC rund zehn Gigabyte an Daten übertragen werden. Mit H.266/VVC braucht man bei gleicher Bildqualität nur etwa fünf Gigabyte. Ein weiterer Vorteil von H.266/VVC ist sein erweitertes Anwendungsfeld für alle Arten von Bewegtbild. So lässt sich der neue Standard auch in besonders effizienter Art und Weise auf hochaufgelöste 360-Grad-Videopanoramen oder geteilte Bildschirminhalte anwenden.

"Nach fast drei Jahren aktiver Standardisierungsarbeit sind wir stolz darauf, den neuen Standard H.266/VVC maßgeblich mitgestaltet zu haben“, sagt Benjamin Bross, Gruppenleiter Videokodierungssysteme am Fraunhofer HHI und zugleich Editor der über 500-seitigen Standardspezifikation von H.266/VVC. "Der Quantensprung an Kodiereffizienz, den H.266/VVC bietet, wird dazu beitragen, dass die Nutzung von Video weltweit weiter zunehmen wird. Zudem wird die erweiterte Vielseitigkeit von H.266/VVC dazu führen, dass der neue Standard für ein größeres Spektrum von Anwendungen mit Übertragung und Speicherung von Video attraktiv wird."

"Wenn man bedenkt, dass das Fraunhofer HHI an der Entwicklung der vorangegangen Videokodierstandards H.264/AVC und H.265/HEVC ebenso maßgeblich beteiligt war, freuen wir uns über die Tatsache, dass mittlerweile über 50 Prozent der Bits im Internet auf Basis einer Fraunhofer HHI-Technologie erzeugt werden", ergänzt Dr. Detlev Marpe, Abteilungsleiter Videokodierung und Maschinelles Lernen am Fraunhofer HHI.

Komprimierte Videodaten machen derzeit schon 80 Prozent des weltweiten Internetverkehrs aus. Der Videoübertragung kommt somit eine hohe Bedeutung zu. Der neu entwickelte Standard H.266/VVC ist der aktuell modernste und effizienteste Vertreter von mindestens vier Generationen internationaler Standards zur Videokodierung. Das Fraunhofer HHI hat bereits bei der Entwicklung der Vorgängerstandards H.264/AVC und H.265/HEVC maßgebliche Beiträge geleistet. Diese beiden Standards sind mittlerweile in mehr als zehn Milliarden Endgeräten weltweit implementiert und verarbeiten dabei über 90 Prozent des gesamten globalen Aufkommens an Videobits. Beide Vorgängerstandards wurden mit insgesamt drei Emmy Engineering Awards für ihre maßgeblichen Beiträge zum Fortschritt der Fernsehtechnologie ausgezeichnet.