Interview mit:
Kim Schoppink, Kampagnenleiterin "Grüne Elektronik" bei Greenpeace.
Vor vier Jahren rief Greenpeace den "Guide to Greener Electronics" ins Leben. Im Rahmen der regelmäßig durchgeführten Erhebung bewertet Greenpeace die Umweltschutzbemühungen der weltgrößten Elektronikhersteller. Ziel: Grünere Produkte und eine geringere Umweltbelastung. Greenpeace fordert von den Unternehmen u. a. die Eliminierung von Giftstoffen aus Produkten, die Verwendung regenerativer Energien, den Einsatz von recyceltem Plastik und die Einführung von Recycling- und Rücknahmeprogrammen für Altgeräte. Auch Apple haben die Umweltschützer im Visier. Apple kann einerseits zwar Erfolge in puncto Umweltschutz vorweisen, etwa bei der Eliminierung von Giftstoffen, hat aber laut Greenpeace in anderen Bereichen noch großen Nachholbedarf.
MacGadget: Im Jahr 2006 legte Greenpeace die erste Ausgabe des "Guide to Greener Electronics" vor. Welche Gründe haben Greenpeace dazu bewogen, den "Guide to Greener Electronics" ins Leben zu rufen?
Kim Schoppink: Die Elektronikbranche ist für sehr viele Umweltprobleme verantwortlich. Problematisch wird es vor allem dann, wenn alte Elektronikgeräte zu Abfall werden. Die Geräte enthalten – früher in größerem Maße als heute – teilweise sehr viele Giftstoffe und landen nicht selten in Entwicklungsländern, wo sie Umweltprobleme und gesundheitliche Beeinträchtigungen für die Menschen verursachen können. Greenpeace hat den "Guide to Greener Electronics" ins Leben gerufen, um dafür zu sorgen, dass die Elektronikhersteller umweltfreundlichere Produkte entwickeln und für Rücknahme und Recycling von Altgeräten die Verantwortung übernehmen.
MacGadget: Wie waren die Reaktionen der Hersteller, als diese von Greenpeace erstmals mit dem Vorhaben konfrontiert wurden?
Kim Schoppink: Die Hersteller waren nicht sehr glücklich über die Rangliste und wollten leider oft auch die Umweltprobleme, die sie verursacht haben, nicht erkennen.
MacGadget: Wie ist es heute um die Kooperationsbereitschaft seitens der Hersteller bestellt?
Kim Schoppink: Seit dem Jahr 2006 haben wir alle drei Monate an die Türen der Hersteller geklopft, um sie zu ihren Bemühungen in puncto Umweltschutz zu befragen. Begleitend haben die Medien umfangreich über den "Guide to Greener Electronics" und das Umweltschutzverhalten der Hersteller berichtet. Dies hat die Hersteller dazu bewogen, sich mit uns an einen Tisch zu setzen und ihre Umweltschutzbemühungen zu verstärken.
Mit den meisten Herstellern haben wir jetzt regelmäßig Kontakt und viele Unternehmen haben tatsächlich Fortschritte erzielt. Leider gehen die Fortschritte noch nicht weit genug bzw. werden nur langsam erzielt.
MacGadget: Den "Guide to Greener Electronics" gibt es nun bereits seit vier Jahren. Inwiefern haben sich die Schwerpunkte der Erhebungen geändert?
Kim Schoppink: Vor zwei Jahren haben wir Kriterien hinsichtlich des Energieverbrauchs und Klimaschutzes mit in unsere Prüfung aufgenommen. Das haben wir gemacht, weil Giftstoffe und Abfall nicht die einzigen Umweltprobleme sind, die die Elektronikbranche verursacht. Die Industrie verbraucht während der Produktion der Geräte viel Energie, und auch die Geräte selbst brauchen mitunter viel Strom, was einen CO2-Ausstoß nach sich zieht. Es ist wichtig für den Klimaschutz, dass die Hersteller ihren CO2-Fußabdruck verkleinern.
Anfangs haben wir im "Guide to Greener Electronics" nur Mobiltelefon- und Computerhersteller berücksichtigt, inzwischen schauen wir auch TV- und Spielkonsolenherstellern auf die Finger.
MacGadget: Welche Änderungen sind für die Zukunft geplant?
Kim Schoppink: Im Moment sind keine Veränderungen am Guide geplant, aber es kann sein, dass wir künftig weitere Bewertungskriterien und/oder Hersteller aufnehmen werden.
MacGadget: Die meisten Elektronikhersteller lassen in Asien fertigen. Wird es nicht Zeit, das Umweltverhalten dieser asiatischen Auftragsfertiger mit in die Wertung der einzelnen Hersteller einzubeziehen?
Kim Schoppink: Die Auftragsfertiger werden schon jetzt teilweise mit einbezogen. Die Entfernung von Giftstoffen aus Produkten betrifft ja alle Komponenten, daher müssen die Hersteller ihre Auftragsfertiger beauftragen, diese giftigen Stoffe nicht mehr einzusetzen. Zudem bewertet Greenpeace den CO2-Ausstoß der Auftragsfertiger.
Was wir derzeit noch nicht berücksichtigen, ist die durch die Auftragsfertiger verursachte Umweltverschmutzung, d. h. die bei der Produktion verursachte Schadstoffbelastung in Luft und Wasser. Dies können wir in Zukunft vielleicht mit in den "Guide to Greener Electronics" einbeziehen.
Greenpeace-Untersuchung "Guide to Greener Electronics":
Apple mit Fortschritten, aber Greenpeace fordert weitere Bemühungen.
Bild: Greenpeace.
MacGadget: Wie fällt das bisherige Fazit von Greenpeace aus? Hat der "Guide To Greener Electronics" die Hersteller dazu bewogen, umweltbewusster zu denken und zu handeln?
Kim Schoppink: Ja, die Hersteller handeln jetzt umweltbewusster. Die meisten haben sich Ziele gesetzt, um die schlimmsten Giftstoffe aus ihren Produkten zu verbannen und einige, darunter Apple und Nokia, lassen bereits ohne die Giftstoffe PVC und bromierte Flammschutzmittel (BFR) produzieren.
Die Hersteller sind sich jetzt der Umweltprobleme, die sie verursachen, bewusst. Anfangs mussten wir diesbezüglich noch viel Erklärungsarbeit leisten. Allerdings müssen die Firmen noch viel mehr tun, um wirklich umweltfreundlich zu sein.
MacGadget: Wenn Sie die untersuchten Hersteller als Ganzes betrachten, bei welchen Punkten sehen Sie den meisten Handlungsbedarf?
Kim Schoppink: Die Hersteller müssen es schneller schaffen, Giftstoffe aus ihren Produkten zu eliminieren. Die Elektronikgeräte werden zwar einerseits immer stromsparender, andererseits müssen die Unternehmen noch wesentlich stärker auf regenerative Energien setzen und ihren CO2-Ausstoß vermindern.
MacGadget: Stichwort Apple: Das Unternehmen hat auf einem der hinteren Plätze begonnen und sich kontinuierlich nach vorne gearbeitet - derzeit Belegt Apple Rang 5. Wie beurteilen Sie die Entwicklung von Apples Umweltschutzverhalten?
Kim Schoppink: Anfangs hat Apple in fast allen Bewertungskriterien eine niedrige oder gar keine Punktzahl erhalten. Mittlerweile sind Apples Bemühungen für den Umweltschutz viel besser. Vor allem bei der Eliminierung von Giftstoffen aus Produkten hat Apple große Fortschritte gemacht. Apple war der erste Hersteller, der PVC und BFR aus seinen Computern verbannt hat. Damit ist Apple ein Vorbild für die Konkurrenz. Aber Apple hat noch Spielraum für Verbesserungen: Apple muss auch andere Giftstoffe aus seinen Produkten eliminieren, darunter Antimon und Beryllium.
MacGadget: Sie bemängeln, dass sich Apple nicht zur globalen Reduktion von Treibhausgasen bekannt hat. Aber hat Apple nicht bereits genau dies getan, als das Unternehmen im Herbst 2009 unter großer medialer Aufmerksamkeit aus der US-Handelskammer ausgetreten ist? Die Handelskammer weigerte sich, sich für die Reduktion von Treibhausgasen einzusetzen, weswegen Apple seine Mitgliedschaft dort beendete. Kann es von Apple überhaupt ein klareres Bekenntnis zur Reduktion von Treibhausgasen geben?
Kim Schoppink: Stimmt, das war eine gute Aktion von Apple, die ein Zeichen gesetzt hat. Das Unternehmen hat dadurch ausgedrückt, dass es die Reduktion von Treibhausgasen für wichtig hält. Greenpeace hat sich lobend dazu geäußert.
Das Problem ist bei Apple aber nach wie vor, dass der Konzern nichts darüber mitteilt, mit welchen Maßnahmen er zur Reduzierung von Treibhausgasen beitragen will. Auch könnte Apple diesbezüglich Druck auf Politik und Regierungen ausüben. Das ist sehr wichtig, weil die Politik bekanntlich Maßnahmen schneller umsetzt, wenn sie von der Industrie gefordert werden.
MacGadget: Wie würden Sie das Verhältnis zwischen Greenpeace und Apple-Chef Steve Jobs beschreiben?
Kim Schoppink: Steve Jobs war skeptisch gegenüber unserer "Green my Apple"-Kampagne, die wir vor einigen Jahren durchgeführt haben. Wir haben diese Kampagne gestartet, um Apple dazu zu bewegen, mehr für den Umweltschutz zu leisten. Aber in den letzten Jahren hat Apple unter der Leitung von Steve Jobs seine Umweltschutzbemühungen stark verbessert, und dafür verdient Steve Jobs ein Lob.
MacGadget: Was wünschen Sie sich von Apple für die Zukunft in puncto Umweltschutz?
Kim Schoppink: Apple muss, wie bereits erwähnt, noch mehr Giftstoffe aus seinen Produkten entfernen und seine Bemühungen in puncto Reduzierung von Treibhausgasen verstärken. Auch muss Apple beginnen, recyceltes Plastik in der Produktion zu verwenden.
MacGadget: Zum Schluss die Frage: Was geben Sie Konsumenten, die Computer- und Unterhaltungselektronik kaufen wollen, mit auf den Weg?
Kim Schoppink: Bevor Konsumenten ein Gerät kaufen, sollten sie unsere Web-Site besuchen, um zu sehen, was der Hersteller dieses Produkts für den Umweltschutz tut. Zudem ist es wichtig, dass Konsumenten ein Gerät so lange wie möglich benutzen, um die Belastung der Umwelt durch die Produktion neuer Geräte so gering wie möglich zu halten.
MacGadget: Frau Schoppink, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Links:
Greenpeace
Guide to Greener Electronics
Kohlenstoffrechner: Der eigene CO2-Fußabdruck