"Mac OS X enthält viele, zum Teil kritische Fehler"

06. Sep 2010 23:45 Uhr - sw

Interview mit:

Dr. Marcel Bresink, Mac-Softwareentwickler und -Experte.

Der Softwareentwickler Dr. Marcel Bresink verfügt über mehr als 17 Jahre Erfahrung mit Mac OS X und dessen Vorläufer Nextstep. Zu den bekanntesten Programmen von Bresink gehören die Utilities TinkerTool und TinkerTool System. Daneben entwickelt Bresink individuelle Softwarelösungen für den betrieblichen und technisch-wissenschaftlichen Einsatz. MacGadget führte mit Dr. Marcel Bresink ein ausführliches Interview und befragte ihn zu Themen wie Systemwartung, Defragmentierung, TRIM-Befehl und Sicherheit. Aber auch die Betriebssystemqualität von Mac OS X, die nach Meinung von Bresink in den letzten Jahren abgenommen hat, wird thematisiert.



MacGadget: Herr Dr. Bresink, Sie entwickeln seit vielen Jahren Software für Mac OS X und haben bereits für den Mac OS X-Vorläufer Nextstep programmiert. Was fasziniert Sie auch heute noch an der Softwareentwicklung für den Mac?

Dr. Marcel Bresink: Das sind im Wesentlichen zwei Punkte: Einerseits ist die Programmierumgebung Cocoa und die zugehörige Sprache Objective-C im Vergleich zu anderen Umgebungen immer noch ein technologischer "Geheimtipp", auch wenn das Ganze inzwischen nun schon mehr als 20 Jahre alt ist. Ohne in technische Details gehen zu wollen, kann man sagen, dass die Software-Entwicklung mit diesen Werkzeugen einfach angenehm und elegant ist. Die Programme sind leicht lesbar und gut wartbar. Man kann mit wenig Mitteln sehr viel erreichen. Einmal entwickelte Komponenten können leicht wiederverwendet werden, indem man sie sozusagen in anderen Projekten neu zusammensteckt. Auch wenn man rational und ingenieurmäßig denkt, macht die Arbeit damit einfach Spaß.

Andererseits ist der Mac eine anspruchsvolle Plattform, in dem Sinne, dass deren Nutzer sowohl von der Ergonomie als auch von der Ästhetik her viel mehr erwarten, als nur ein Programm, das eine gewisse Sache erledigt und dabei nicht abstürzt. Neben den rein technischen Kenntnissen sind daher noch viel mehr Talente gefragt, besonders hinsichtlich der Gestaltung. Das macht die Arbeit abwechslungsreich und interessanter, als man es sonst vielleicht als Entwickler gewohnt ist.

MacGadget: Welche Tipps können Sie Personen, die in die Mac-Softwareentwicklung einsteigen wollen, geben? Welche ersten Schritte sind zu tun, welche Fehler möglichst zu vermeiden?

Dr. Marcel Bresink: Beim Kennenlernen jeder neuen Entwicklungsumgebung sollte man zunächst einmal solide Grundkenntnisse erwerben. Das ist immer nötig, auch wenn man vielleicht sofort eine tolle Idee für eine neue "Super-Anwendung" in die Praxis umsetzen will. Im Einzelfall hängt es natürlich sehr von den Vorkenntnissen ab, wie man dabei vorgehen sollte.

Wie schon bei der letzten Frage angedeutet, reichen die technischen Grundkenntnisse allerdings auf dem Mac nicht aus. Ein wichtiger Tipp ist, dass man sich auf dem Mac auf jeden Fall auch mit den Gestaltungsrichtlinien, den berühmten "Human Interface Guidelines", beschäftigen muss. Mac-Anwender erwarten es, dass sich ein Mac-Programm auch wie ein Mac-Programm anfühlt. Das betrifft viele Kleinigkeiten, wie Regeln zur Beschriftung von Menüpunkten oder das Unterstützen der üblichen Tastenkürzel. Mancher Entwickler, der von anderen Plattformen auf den Mac umsteigt, ist oft sehr überrascht, wenn er nach der Freigabe seines ersten Programms an die Anwender als erste Reaktion zu hören bekommt, "das Programm funktioniert, aber das Icon ist hässlich", oder "damit will ich nicht arbeiten, weil das Layout der Dialogfenster zu verwirrend ist". Für Neulinge kann das sehr frustrierend sein, wenn man Tausend Arbeitsstunden in ein technisch gesehen einwandfreies Programm gesteckt hat, dann aber wegen scheinbarer Nebensächlichkeiten in der Oberfläche kritisiert wird. Manche, die diesen Aspekt der Mac-Entwicklung vorher nicht kannten, geben die Sache dann entnervt wieder auf. Auf diese Besonderheit der Plattform muss man vorbereitet sein.

MacGadget: TinkerTool und TinkerTool System gehören zu Ihren bekanntesten Programmen. An wen richtet sich TinkerTool? Wer benötigt TinkerTool System?

Dr. Marcel Bresink: Die beiden Programme basieren technisch auf dem gleichen Kern, sind aber mit Absicht voneinander getrennt, da sie sich an unterschiedliche Anwendergruppen richten. TinkerTool ist ein Programm, das zusätzliche Benutzereinstellungen sichtbar und änderbar macht, die Apple zwar in den jeweiligen Versionen von Mac OS X vorgesehen hat, die aber im offiziellen Programm "Systemeinstellungen" nicht zu sehen sind. Somit ist TinkerTool für jeden Mac-Anwender geeignet, der die etwas spezielleren Funktionen von Mac OS X kennenlernen will. Das Programm nimmt niemals Änderungen am System vor und eventuelle Änderungen an persönlichen Einstellungen können per Knopfdruck wieder zurückgestellt werden. Der Einsatz ist deshalb gefahrlos.

TinkerTool

Macht versteckte Systemeinstellungen zugänglich: TinkerTool (Freeware)


TinkerTool System richtet sich dagegen an Systemverwalter, also Personen, die sich wirklich mit der Technik von Mac OS X beschäftigen möchten oder müssen. Das Programm greift unter anderem auf Einstellungen zu, die nicht nur für einen Benutzer-Account, sondern für das ganze System gelten — daher der Name. Darüber hinaus bietet TinkerTool System einem Verwalter eine große Vielzahl an Wartungsfunktionen, die man bei der täglichen Arbeit gut gebrauchen kann, zum Beispiel beim Entfernen nicht mehr benötigter Programme, beim Inventarisieren von Computern, bei der Fehlersuche, bei der Reparatur von beschädigten Systemkomponenten, usw. Ebenso kann man das System von Flash-Cookies bereinigen, Systemprotokolle abrufen, die Benutzerwörterbücher überprüfen und vieles andere mehr. In das Programm sind einige Jahre Erfahrung bei der Betreuung von Mac-Systemen eingeflossen. Bei bekannten Problemen in Mac OS X verwendet TinkerTool System Reparaturverfahren gemäß den offiziell von Apple vorgegebenen Support-Dokumenten. Zum Einsatz des Programms ist, im Gegensatz zu TinkerTool, ein Administratorkennwort erforderlich. Wer will, kann beide Programme zu einem einzigen mit gemeinsamer Oberfläche zusammenschalten.


MacGadget: Kommen wir einmal ganz grundsätzlich zum Thema Systemwartung. Wie wichtig ist Systempflege auf dem Mac? Wie häufig sollten Mac-User Wartungsarbeiten ausführen, auch um Problemen vorzubeugen?

Dr. Marcel Bresink: Die ehrliche Antwort ist: Mac OS X benötigt keinerlei regelmäßige Pflege oder Wartung. Dies wird bereits vom System selbst übernommen, zumindest in den aktuellen Versionen. Das heißt nicht, dass Mac OS X überhaupt keine Wartung bräuchte. Aber Wartungsmaßnahmen müssen eben nur dann durchgeführt werden, wenn sie aufgrund einer speziellen Situation nötig sind, nicht etwa regelmäßig. Wenn beispielsweise ein Festplattenfehler aufgetreten ist, wenn ein minderwertiges Installationsprogramm Komponenten beschädigt hat, wenn ein Bug Softwareprobleme auslöst oder die Systemprotokolle mit Meldungen vollschreibt, wenn man einen Computer von einer Anwendung bereinigen will, wenn man einen Mac aus einem Mac OS X-Netzwerk nimmt, dann und bei vielen ähnlichen Situationen braucht man tatsächlich Wartung. Der Systembetreuer kann sich bei der hier nötigen, manuellen Pflege von einem Programm wie TinkerTool System unterstützen lassen. Es ist aber auf keinen Fall so, dass man nun jede Woche samstags irgendeine spezielle Bereinigungsfunktionen oder Ähnliches verwenden sollte.

MacGadget: Ist Defragmentierung unter Mac OS X sinnvoll?

Dr. Marcel Bresink: Wenn damit ein manuell oder regelmäßig gestartetes Defragmentierungsprogramm gemeint ist: Nein.

Zunächst einmal ist es so, dass das Problem der Fragmentierung aus einer Zeit vor etwa 25 Jahren stammt: Damals hat man Dateisysteme, also die technische Umsetzung, nach welchem Schema man Daten auf einem Datenträger ablegt und verwaltet, von kleinen Medien wie Disketten der Einfachheit halber auch auf die immer größer werdenden Festplatten übertragen. Diese einfachen Dateisysteme funktionierten jedoch auf den großen Medien nicht sehr gut. Verfahren wie regelmäßige Defragmentierungsläufe waren nötig, um Geschwindigkeitsverlusten entgegenzuwirken, die durch die ungeschickte Anordnung der Daten entstanden.

In modernen Dateisystemen, wie wir sie heute verwenden, kommen jedoch von vorneherein Verfahren zur Fragmentvermeidung und zur effizienten Ablage von Daten zum Einsatz. Für die Fälle, in denen das nicht ausreicht, enthält Mac OS X seit Version 10.3 bei Verwendung von HFS+ auch eine automatische Defragmentierung. Leider wird immer wieder behauptet, Mac OS X würde das über irgendwelche Wartungsskripten zu Leerlaufzeiten durchführen, das ist aber ein Irrtum. Richtig ist, dass Mac OS X bei jedem Öffnen einer Datei prüft, ob bestimmte Bedingungen erfüllt sind und ob sich das Defragmentieren dieser Datei lohnen könnte. Falls ja, wird dann diese eine Datei sozusagen während ihrer Nutzung vollautomatisch defragmentiert.

Desweiteren wird seit Version 10.3 eine Technik verwendet, die man als selbstanpassende Gruppierung intensiv genutzter Dateien (Hot Adaptive File Clustering) bezeichnet. Bei diesem Verfahren verwendet Mac OS X intern geführte Statistiken, um diejenigen Daten, bei denen sich eine optimale Platzierung auf dem Laufwerk aufgrund häufiger Zugriffe lohnt, an die Stellen der Festplatte umzulagern, die am schnellsten erreicht werden können. Auch das geschieht kontinuierlich, ohne dass ein Eingreifen oder regelmäßige Wartungsphasen erforderlich wären.

Bei ganz modernen Datenträgern wie SSDs oder Hybridplatten sind Defragmentierungsläufe völlig unsinnig. Hier kann eine Defragmentierung sogar die Zugriffszeiten verlangsamen. Es gibt bei SSDs zwar auch einen technischen Effekt, den man als Fragmentierung bezeichnet, damit ist aber etwas ganz anderes gemeint.

TinkerTool System

Utility für Systemwartung und -konfiguration: TinkerTool System (kostenpflichtig)


MacGadget: Wie schwer wiegt das Fehlen des TRIM-Befehls für SSDs in Mac OS X? Gibt es irgendeinen Grund, weshalb Apple TRIM bislang nicht in Mac OS X implementiert hat?

Dr. Marcel Bresink: Ohne TRIM-Unterstützung wird eine SSD immer etwas langsamer bei Schreiboperationen arbeiten, als mit. Wie viel langsamer, also ob der Durchsatz nur geringfügig schlechter oder spürbar schlechter ist, hängt von der Technik und der Firmware-Version der jeweiligen SSD ab. Die hochwertigen und meistens auch teuren SSDs können in der Regel auch ohne TRIM dauerhaft eine gute Schreibleistung erzielen. Allgemein lässt sich das aber nicht beantworten.

Warum Apple das noch nicht umsetzt, da kann ich nur raten. Änderungen am Code von Journaling-Dateisystemen sind immer extrem heikel. Es gibt nur wenige Menschen auf der Welt, die dazu das nötige Hintergrundwissen haben. Es könnte sein, dass im Moment einfach Zeit und Personal fehlt. Es könnte aber auch sein, dass schon längst ein Nachfolger von HFS+ in Arbeit ist, mit dem man bis Mac OS X 10.7 warten will. Im dem Fall würde sich der Aufwand der Nachrüstung von HFS+ nicht mehr lohnen. Das alles ist aber wie gesagt reine Spekulation.


MacGadget: Stichwort Sicherheit: Mac-Usern wird immer wieder vorgeworfen, in dieser Hinsicht noch nicht genügend sensibilisiert zu sein, sich zu wenig um das Thema Sicherheit zu kümmern. Wie sehen Sie das?

Dr. Marcel Bresink: Der Vorwurf ist teilweise schon berechtigt. Zwar ist Mac OS X prinzipiell relativ sicher, da es viele Open-Source-Elemente enthält und keine grundlegenden Konstruktionsmängel hinsichtlich der Sicherheit aufweist, wie es bei einem anderen großen Betriebssystem der Fall ist, jedoch ist eine allzu große Sorglosigkeit, "dass nicht sein kann, was in der Vergangenheit nicht der Fall war" auch nicht gerade ratsam. Dieses Verhalten macht unbedarfte Mac-Anwender zu einem idealen Opfer von Trojanischen Pferden, also Schadsoftware, die überhaupt keine Sicherheitslücken braucht, um sich auszubreiten, sondern rein über soziale Interaktion, mit psychologischen Tricks arbeitet. Man braucht eine Schad- oder Spionagefunktion nur in einem Programm zu verstecken, das auf den ersten Eindruck harmlos aussieht und beliebt ist.

Mehr Vorsicht ist daher schon angebracht. Blinder Aktionismus muss aber auch nicht sein. Ein weiterer Faktor, der Mac OS X im Moment noch etwas vor Sicherheitsproblemen schützt, ist die Tatsache, dass der Mac durch die historische Entwicklung bislang eher weniger für Bereiche der Finanztransaktionen, Datenhaltung im großen Umfang oder zur technischen Steuerung kritischer Anlagen eingesetzt wurde. Das macht die Plattform zur Zeit noch wenig attraktiv für die organisierte Kriminalität.

MacGadget: Welche Maßnahmen sollten Mac-User Ihrer Meinung nach ergreifen, um einen Mac abzusichern?

Dr. Marcel Bresink: Eine ganz einfache Maßnahme besteht darin, einen zweiten Benutzer-Account ohne Verwaltungsrechte (keinen "Administrator") einzurichten und im Normalfall nur noch mit diesem Standard-Account zu arbeiten. Dann besteht für alle normalen Programme, die dieser Benutzer startet, kein Schreibzugriff auf die systemweiten Verwaltungsordner und Programme mehr. Trotzdem lassen sich die meisten Verwaltungsaufgaben wie vorher erledigen. Mac OS X zeigt dann im Bedarfsfall den üblichen Dialog "Geben Sie Namen und Kennwort eines Administrators ein" an.

Auch das Abschalten der Option „Sichere Dateien nach dem Laden öffnen“ in Safari ist im Allgemeinen anzuraten. Wer seinen Computer gewerblich nutzt und mit E-Mail arbeitet, kann außerdem schon aus rechtlichen Gründen gezwungen sein, einen Viren-Scanner, zumindest für ein- und ausgehende Mails zu installieren. Apple liefert hierzu in der Server-Version von Mac OS X bereits die Software ClamAV mit, die man nur noch einzuschalten braucht.

Ansonsten ist der wichtigste Ratschlag, dass man sich bei jedem Austausch von Daten, egal ob im Netz oder über Datenträger, vorsichtig verhalten sollte. Etwas technische Sachkenntnis muss man dafür leider schon mitbringen, selbst auf dem Mac.

MacGadget: Mac OS X kam im Jahr 2001 auf den Markt, inzwischen sind wir bei Version 10.6 angelangt. Wie hat sich die Betriebssystemqualität in dieser Zeit aus Ihrer Sicht entwickelt?

Dr. Marcel Bresink: Das ist ein kritischer Punkt. Seit der Verlagerung von Apples Schwerpunkt auch auf Nicht-Desktop-Computer, wie iPod, iPhone und iPad, und dem Weggang des Software-Entwicklungschefs Avie Tevanian ist es mein persönlicher Eindruck, dass die Qualität der Betriebssystemsoftware abnimmt. Für den "Normalverbraucher" ist das vielleicht nicht sichtbar. Wenn man sich aber mit Mac OS X rund um die Uhr beschäftigt und auch die Profifunktionen verwendet, beispielsweise die automatische Spiegelung und Verteilung von Software-Updates im lokalen Netz oder die Funktion "Mobile Privatordner" (Portable Home Directories), dann stellt man fest, dass Vieles, was auf dem Papier versprochen wird, in der Praxis einfach nicht funktioniert. Für eine Nullnummer, also die allererste Version einer neuen Betriebssystemfassung, wäre das vielleicht noch akzeptabel, aber wenn bekannte Fehler, die in bestimmten Konstellationen sogar zu Datenverlust führen, auch nach mehreren Jahren nicht behoben werden, gibt einem das schon zu denken.

Als Entwickler durchschaut man natürlich etwas die Hintergründe und kann über die Ursachen einiger Mängel spekulieren. Bei einigen Features in Mac OS X gewinnt man den Eindruck, als seien sie von den Technikern zunächst gut entworfen und als Prototyp realisiert worden, dann ist man aber wohl in großen Termindruck geraten und musste alles überhastet zusammenbasteln, ohne die Sache zu Ende zu entwickeln. Vielleicht war eben keine Zeit da und die Priorität der iOS-Produkte lag höher. Wer weiß.


MacGadget: Sie sprachen bei der Vorstellung von TinkerTool System 2.3 von einigen Kinderkrankheiten im Finder von Mac OS X 10.6. Welche sind das? Und welche weiteren Fehler gibt es nach Ihrer Ansicht in Mac OS X, die Apple dringend beseitigen sollte?

Dr. Marcel Bresink: Es sind eigentlich viel zu viele Fehler, um darauf einzeln eingehen zu können. Ich muss alleine die von mir gefundenen Fehler schon in einer Datenbank verwalten. Bestimmte Details unterliegen auch Geheimhaltungsabkommen mit Apple. Stabil läuft Mac OS X zum Glück fast immer, wobei das natürlich am UNIX-Unterbau liegt, der nicht so einfach kaputtzukriegen ist.

Manche Fehler sind nur harmlose Kleinigkeiten. So wissen zum Beispiel viele Anwender, dass das Wetter-Widget seit Einführung von Safari 4 seine Bildschirmposition nicht mehr richtig halten kann. Es erscheint bei jedem Öffnen von Dashboard an einer leicht anderen Stelle.

Andere Fehler sind kritischer oder sogar sicherheitsrelevant. Wenn man beispielsweise die seit Mac OS X 10.4 im System vorhandene ACL-Berechtigungstechnik verwendet, um einen Ordner zu definieren, in dem eine bestimmte Benutzergruppe immer automatisch Schreibrecht für neu angelegte Dateien bekommt, so funktioniert diese Rechtevergabeautomatik zwar, wenn Dateien über die UNIX-Ebene, zum Beispiel über die Befehlszeile, neu angelegt werden, jedoch ab Mac OS X 10.5 nicht mehr auf den höheren Ebenen, beispielsweise wenn ein Dokument über den Menüpunkt "Ablage > Sichern" gespeichert wird.

Eine ganz andere Klasse von Defekten sind schließlich architekturelle Probleme, die man als Design-Fehler bezeichnen muss. Auch hierzu ein Beispiel: Institutionen mit vielen Computern installieren ihre Systeme üblicherweise so, dass die Privatordner aller Benutzer nicht auf den lokalen Platten, sondern auf einem zentralen File-Server im Netz liegen, der per so genanntem Automounting bei jedem Anmelden des Benutzers vollautomatisch zugänglich gemacht wird. Vorteil ist, dass die Benutzer so frei im Netz "roamen" können, also nicht an einen bestimmten Computer gebunden sind, sondern an jedem Mac immer alle ihre persönlichen Daten und Einstellungen vorfinden. Auch die Datensicherung vereinfacht sich erheblich. Nun gibt es bestimmte Konstellationen, bei denen die automatische Wiederherstellung der Verbindung zum File-Server nicht sauber funktioniert, wenn der Computer aus dem Ruhezustand aufwacht. Die Benutzer müssen lange Wartezeiten, oft von mehreren Minuten, ertragen, bis der Mac vollständig aufgewacht ist und die Netzverbindungen wiederaufbaut. Dies führt zur skurrilen Situation, dass das Ein-/Ausschalten eines Mac in solchen Installationen schneller geht, als das Aufwecken aus dem Ruhezustand.

Eine der technischen Ursachen hierfür ist, dass Apple seit Mac OS X 10.4 gezielt alle Funktionen aus dem System entfernt hat, um Systemdienste in einer vorher definierten Abfolge zu starten oder wieder hochzufahren. Seit Tiger müssen alle Systemdienste darauf vorbereitet sein, in beliebiger Reihenfolge gestartet zu werden und über wechselseitige Kommunikation und Aufeinanderwarten sicherstellen, dass gegenseitige Abhängigkeiten korrekt aufgelöst werden. Das sieht in der Theorie elegant aus, funktioniert aber in der Praxis nur sehr schlecht. Die Folge sind dann merkwürdige Wartezustände des Systems, die für den Benutzer nicht nachvollziehbar sind.

Die in der Frage angesprochene, seit Version 2.3 in TinkerTool System vorhandene Prüffunktion testet, ob der Finder einzelne Dateien vollkommen ohne Verfälschung von Dateiinhalten oder Dateiattributen zwischen zwei Datenträgern kopieren kann. Es wird dabei auf drei bekannte Defekte im System getestet. Ab Mac OS X 10.6 kann es hier in bestimmten Fällen zu Problemen kommen. Die Fehler befinden sich nicht im Finder selber, sondern in tiefer liegenden Systemschichten, die vom Finder genutzt werden. Auch andere Systemkomponenten wie Time Machine, oder die Befehle "ditto" und "asr" sind deshalb betroffen.

Einer dieser Fehler, der auch im aktuellen Mac OS X 10.6.4 noch nicht behoben ist, betrifft das Kopieren von so genannten erweiterten Attributen, die in emulierter Form gespeichert sind, zwischen zwei HFS-Dateisystemen. Bei diesem Kopieren gehen die erweiterten Attribute der betroffenen Dateien verloren. Je nach Typ der Datei kann das noch harmlos sein, zum Beispiel wenn "nur" der Typ/Creator-Code eines Dokuments oder ein angepasstes Icon nicht in der Kopie ankommt. Bei anderen Daten, zum Beispiel webloc-Dateien von Safari (als Datei abgelegte Internet-Adressen) oder Dateien, die das neue Feature HFS-Datenkompression nutzen, kann in der Kopie jedoch auch der gesamte Nutzinhalt einer Datei verschwinden.

Emulierte erweiterte Attribute treten zum Glück auch wieder nur bei Profianwendern auf, zum Beispiel wenn man bei seinem Rechner "Sharing" einschaltet und dann Mac-Dateien von einem anderen Rechner übers Netz mit einem der Protokolle SMB/CIFS, NFS, FTP oder WebDAV auf diesen Rechner kopiert. So exotisch wie es sich anhört, ist es aber auch nicht. Ein Xserve, der in einem lokalen Netz als File-Server für eine gemischte Betriebssystemumgebung arbeitet und bei dem eine alte Festplatte gegen eine neue getauscht werden muss, wäre zum Beispiel ein Kandidat, bei dem Daten beim Umkopieren der Platte verloren gehen und auch mit Time Machine nicht wiederhergestellt werden können.

MacGadget: In jüngerer Vergangenheit standen bei Apple vor allem iPad, iPhone und iOS im Mittelpunkt. Wie sehen Sie diesen Trend? Befürchten Sie, dass die Mac-Sparte und Mac OS X vernachlässigt werden?

Dr. Marcel Bresink: Ja, ich sehe das recht kritisch. Dass die Mac-Sparte vernachlässigt wird, konnte man dieses Jahr schon an der Entwicklerkonferenz sehen, auf der bezüglich Mac OS X keinerlei Neuerungen vorgestellt wurden. Die Entwicklungsteams von Apple sind traditionell sehr klein. So wird beispielsweise auch ein großes, technisch sehr komplexes Produkt wie Xcode meines Wissens nur von einem 5-Personen-Team entwickelt. Durch die eingangs erwähnte hohe Produktivität, die man mit Cocoa erreicht, ist das möglich. Wenn eine neue Produktlinie im iOS-Bereich nun schnell auf den Markt geworfen werden muss, ist es offenbar so, dass dann Entwickler von Mac-Projekten vorübergehend abgezogen und für das neue Produkt umgruppiert werden. Das ist sehr flexibel und erhöht die Rate, mit der Innovationen umgesetzt werden können, es dient aber nicht der langfristigen Qualität der Produkte, da immer weniger in Ruhe ausentwickelt und zu Ende gebracht wird. Meine größte Sorge ist, dass die Mängelrate bei bestimmten Komponenten so hoch wird, dass die entstehenden Fehler unbeherrschbar werden und auch von guten Entwicklern, die genügend Zeit haben, nicht mehr behoben werden können.

MacGadget: Was erhoffen Sie sich von künftigen Mac OS X-Versionen sowohl aus Entwickler- als auch aus Anwendersicht?

Dr. Marcel Bresink: Als Entwickler wünscht man sich immer, dass sich möglichst wenig ändert. Dann kann man sich auf die eigentliche Arbeit konzentrieren und muss nicht ständig Dinge neu erlernen, die sich wieder einmal geändert haben. Bei Apple ist man durch die wahnhafte Geheimhaltung leider vor Überraschungen nie sicher und vermisst oft eine klare Zusicherung, eine eingeschlagene Richtung auch einzuhalten und längerfristig fortzuführen. So muss man oft viele Dinge über Bord werfen und teuer überarbeiten.

Aus Anwendersicht wäre es wünschenswert, das Augenmerk wieder mehr auf Funktionalität und Zuverlässigkeit zu legen, als auf oberflächliche Gimmicks, die zwar "cool" aussehen, die aber eigentlich niemand haben wollte. Die meisten Anwender wollen nicht immer mehr Features, sondern nur, dass die bestehenden auch vernünftig arbeiten. Zu Zeiten von Nextstep und noch bis Mac OS X 10.3.8 habe ich oft den Spruch "it just works" verwendet. Alles funktionierte einfach und man musste sich nicht darum kümmern, warum. Ab Mac OS X 10.3.9 wurde das dann leider anders. Wenn ich heute bestimmte Dateioperationen im Netz verwende, muss ich ständig daran denken, was ich alles nicht machen darf, um bestimmte Fehler zu umgehen. Wenn man etwas mit Spotlight sucht, muss einem bewusst sein, welche Dinge nicht gefunden werden, weil Apple das nicht will, welche Dinge nicht gefunden werden, weil das in der momentanen Betriebssystemversion nicht richtig klappt, welche Netzwerkdaten nicht durchsucht werden, weil es diesbezüglich technische Einschränkungen gibt, wie man gefundene Dateien identifiziert, die in unterschiedlichen Ordnern liegen, aber den gleichen Namen tragen, usw. Von echter Benutzerfreundlichkeit ist das noch weit entfernt. Das sind jetzt nur zwei von vielen offenen Baustellen. Es gibt viel zu tun.

MacGadget: Herr Dr. Bresink, vielen Dank für das Gespräch.

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